Claire Waldoff (1884-1957)
11 - Denkmal Claire Waldoff, vor dem Friedrichstadt-Palast
Friedrichstr. 107, Berlin-Mitte
Claire Waldoff [gesprochen Kläre] prägte mit ihrer kratzbürstigen Stimme die Kabaretts und Chansons der 1920er Jahre in Berlin. Als prominente Chansonsängerin lebte sie ein offen lesbisches Leben, tourte durch ganz Deutschland und besuchte die Lesbenbars Berlins. Sie provozierte in ihren Liedern mit Emanzipation und kecker Berliner Schnauze in Herrenkleidung und Schlips.
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(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)
Claire Waldoff wurde 1884 in Bayern geboren und wuchs als Clara Wortmann im Ruhrgebiet auf. Sie sang ihre berühmtesten Titel wie beispielsweise „Wer schmeißt denn da mit Lehm“ „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“ und „Hermann heeßt er“, im Berliner Jargon und galt daher als kesse Berliner Göre par excellence. Sie hatte ein künstlerisches Gespür, eine modulationsfähige Stimme, Talent und ihre Lieder verfügten über eingängige Melodien, so dass sie ein breites Reporteure an Gassenhauern, Schlagern und Chansons auf berlinerisch hatte.
Waldoff war für damalige Verhältnisse sehr mutig, machte bereits vor dem 1. Weltkrieg kein Geheimnis aus ihrer Homosexualität und lebte mit ihrer großen Liebe Olga von Roeder zusammen. Über Olga schrieb sie „Wir hatten beide das große Los aneinander gezogen, je dusterer und kritischer die Zeit auch wurde. Olly ist überhaupt ein seltener, lauterer Charakter, ein wunderbarer Mensch“
Auf der Bühne spielte sie mit gesellschaftlichen Normen und provozierte mit ihrem Auftreten. Ihr Schlager „Hannelore vom Halleschen Tore“ handelt von bisexuell-lesbischem Inhalt genauso thematisiert sie in andren Texten und Rollen die weibliche Emanzipation.
Ein Höhepunkt ihrer Karriere waren Mitte der 1920er Jahre Ihre Auftritte in den großen Varietés Berlins. So wurde sie ab 1924 auch für die Revue im Großen Schauspielhaus, dem Vorgängerbau des alten Friedrichstadt-Palastes engagiert.
Sie trat auch im „Monmatre im Top-Keller“ auf und sang ihre politischen Lieder. Sie bezeichnete den Toppkeller als das „verschwiegene Eldorado der Frauen“ und nimmt damit Bezug auf das Eldorado, den berühmtesten Club der Stadt mit Travestieshows, wo vorwiegend Männer auftraten. Sie und ihre Lebensgefährtin Olga von Roeder waren ein Mittelpunkt des lesbischen Nachtlebens im Berlin der 1920er Jahre. Sie führten auch einen kulturell-politischen Salon zum Gedankenaustausch unter Lesben. Mit dem Damenclub Pyramide feierten die beiden häufig Montags im Topp-Keller wilde Nächte. In ihren Erinnerungen schrieb sie über die Abende: „Entree 30 Pfennig, vier Musiker mit Blasinstrumenten spielten die verbotenen Vereinslieder. Ein Saal mit Girlanden geschmückt, bevölkert von Malerinnen und Modellen. Von der Seite sah man bekannte Maler; schöne elegante Frauen, die auch mal die Kehrseite von Berlin, das verruchte Berlin kennen lernen wollten; und verliebte kleine Angestellte; und Eifersüchteleien gabs und Tränen am laufenden Band und immerzu mussten die Pärchen verschwinden, um ihren Ehezwist draußen zu schlichten. Zum so und so vielten Male ertönte im Laufe des Abends die berühmte ,Cognac-Polonaise, die man auf dem Tanzboden kniend, mit dem gefüllten Cognac-Glas vor sich zelebrierte. Bei dem unparlamentarischen Text dieser Polonaise sträubt sich meine Feder … Zwischendurch erschienen mit großem Hallo begrüßt die Koryphäen der damaligen Zeit: die hinreißende Tänzerin Anita Berber und Celly de Rheydt und die schöne Susu Wannowsky und ihre Korona. Jeden Montag stieg diese ,Pyramide‘ in der Schwerinstraße um neun Uhr abends ab; es war das typische Berliner Nachtleben mit seiner Sünde und Buntheit.“
Eine ihrer Freundinnen ist Marlene Diedrich mit der sie zusammen auf der Bühne stand und es gibt Gerüchte, dass die beiden eine Affäre gehabt haben sollen. Ebenso ist sie befreundet mit Kurt Tucholsky, der ihr Lieder unter seinem Pseudonym Theobald Tiger schreibt. Waldoff spielt auf allen großen Bühnen Berlins wie Scala und Wintergarten und ist deutschlandweit auf Tournee. Sie schrieb über sich „Ich tanzte am Rande des Abgrundes, aber keiner wagte es, mich hineinzustoßen“.
Doch dann begann das Ende von Waldoffs Karriere mit dem Aufstieg Hitlers. Sie erhielt 1933 vorübergehend ein „politisches Auftrittsverbot“ nachdem sie bei der kommunistischen Roten Hilfe im Berliner Sportpalast auftrat. Die Einreichung des „Ariernachweisses“ und der Beitritt zur Reichskulturkammer machten Auftritte wieder möglich. Doch blieben die Engagements weitestgehend aus, da ihr rauchend und fluchendes Auftreten in Herrenbekleidung mit Schlips und Bubischnitt, nicht dem gewünschten Frauenbild entsprach und zudem das offen lesbische sich nicht mit der völkischen Ideologie der Nationalsozialisten vereinbaren ließ. Ab 1936 verbot ihr Goebbels dann Auftritte in der Scala, dem größten Varieté der Stadt.
Waldoff zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück und lebte mit Olga seit Kriegsbeginn in Bayerisch-Gmain. Sie fügte sich noch einmal den Nazis und nahm 1942 an Konzerten für die Wehrmacht teil und trat im besetzten Paris auf.
1953 veröffentlicht sie ihre Autobiografie „Weeste noch…!“. Sie starb 1957 an einem Schlaganfall. Claire Waldoff und Olga von Roeder wurden im Familiengrab der von Roeder auf dem Pragfriedhof in Stuttgart beigesetzt.
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Weiterführende Links & Quellen:
- Lied „Raus mit den Männern aus dem Reichstag”, Claire Waldoff, Spotify
- Online-Artikel “Claire Waldoff (1884-1957)”, von Claudia Schoppmann, Berlin, 2004
- Online-Artikel „Claire Waldoff“, in Gedenktafeln in Berlin, Berlin, 2022
- Buch „Claire Waldoff – „Weeste noch? – Erinnerungen und Dokumente“, herausgegeben von Volker Kühn, Berlin, 1997
- Artikel „Lesbische Subkultur im Regenbogenkiez“ von Katja Koblitz im Buch „Spurensuche im Regenbogenkiez – Historische Orte und schillernde Persönlichkeiten“, Maneo-Kiezgeschichte Band 2, Berlin, 2018
Hinweis Begrifflichkeiten:
Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.
Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusiv alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.
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