Audre Lorde (1934-1992)
74 - Frauenzentrum Schokofabrik, Ort von Lorde's Lesungen & Workshops
Mariannenstr. 6, Berlin-Kreuzberg
der Audio-Beitrag ist leider noch nicht fertig 🙁 kommt aber bald 🙂
Audre Lorde war eine außergewöhnliche Dichterin, Feministin und Aktivistin und gehörte zu den bedeutendsten afroamerikanischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Sie sagte über sich selbst: „Ich bin schwarz, lesbisch, Sozialistin, Feministin, Kriegerin, Dichterin, Mutter“. Sie lebte zwischen 1984 und 1992 regelmäßig in Berlin und hatte eine Gast-Professur an der Freien Universität Berlin. Ihr Wirken prägte nicht nur die Stadt, sondern auch stark die Frauen-, Lesben- und afrodeutsche Bewegung.
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(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)
Audre Geraldine Lorde wurde 1934 in New York City geboren und wuchs als Tochter karibischer Einwander*innen auf. Schon früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für Poesie und nutzte diese als Ausdrucksmittel. Nach dem Studium arbeitete Lorde unter anderem als Bibliothekarin und wurde aktiver Teil der homosexuellen Subkultur New Yorks. Das Greenwich Village und seine queere Kultur beschrieb sie in ihrem „mythobiografischen“ Buch Zami. 1978 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert und sie veröffentlichte ihre Erfahrung mit der Mastektomie und deren Folgen in ihren Krebs-Tagebüchern.
Audre Lorde hatte die Vision einer Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Sie setzte sich literarisch mit einer profitorientierten, Menschen und Natur verachtenden Gesellschaftsstruktur auseinander, und zeigte deren Grundlagen im Kolonialismus und der Versklavung von afrikanischen Menschen auf. Während sie schonungslos gesellschaftliche Widersprüche benannte, ist ihre Sprache wunderbar poetisch.
Lorde kam 1984 auf Einladung von Dagmar Schultz, einer Professorin, Feministin und Verlegerin, als Gastprofessorin ans John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. In der geteilten Stadt fand sie einen Raum, in dem sie ihre verschiedenen Identitäten als Schwarze, lesbische Frau und Dichterin erforschen und zum Ausdruck bringen konnte. Berlin bot ihr eine einzigartige Perspektive auf Fragen von Rasse, Geschlecht und Sexualität im europäischen Kontext. Sie ermutigte afro-deutsche Frauen, ihre Identität und Geschichte selbstbewusst zu erforschen. Lordes Engagement trug maßgeblich dazu bei, die afrodeutsche Frauenbewegung zu stärken. Sie initiierte das Buch „Farbe bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“, einer bahnbrechenden Sammlung von Texten afrodeutscher Frauen.
An der Freien Universität beeinflusste Audre Lorde eine ganze Generation von Studierenden mit ihren Ideen zu Intersektionalität und Empowerment. Sie wurde zur Kultfigur für junge Feministinnen jeglicher Hautfarbe, denen sie neue Denkweisen vorstellte, die heute als selbstverständlich gelten. Im Frauenzentrum Schokofabrik in Kreuzberg hielt Lorde Lesungen und Workshops. Es war ein wichtiger Treffpunkt für feministische und queere Aktivist*innen.
Audre Lordes offenes Bekenntnis zu ihrer lesbischen Identität und ihr Engagement für die Rechte von queeren Menschen hatten einen starken Einfluss auf die queere Szene Berlins. Ihre Gedichte und Essays thematisieren oft die Überschneidungen von Rassismus, Sexismus und Homophobie. In Berlin fand sie eine Gemeinschaft von lesbischen Aktivist*innen, die offen über Intersektionalität und die Herausforderungen innerhalb der weißen Frauenbewegung diskutierte. Sie ermutigte insbesondere Schwarze und of-Color Frauen, ihre Sexualität offen zu leben und sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen.
Lorde betonte stets die Bedeutung von Selbstdefinition und Selbstermächtigung. Ihr berühmtes Zitat „Your silence will not protect you.” / „Dein Schweigen wird dich nicht schützen.“ wurde zu einem Leitspruch für viele Menschen in diskriminierten Communities.
Audre Lorde lebte an mehreren Orten in Berlin, so auch in Schöneberg, 1989 in der Zietenstraße 8 und 1990 in der Cheruskerstrasse 6.
Sie starb 1992 an den Folgen einer Krebserkrankung auf der Insel St. Croix (USA), wo sie mit ihrer Partnerin Gloria Joseph ihren Lebensmittelpunkt hatte.
Ihr Einfluss auf Berlin bleibt bis heute spürbar. Sie inspirierte die Gründung der ISD – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und von ADEFRA – Afrodeutsche Frauen. An der Freien Universität Berlin wurde in 2012 das Audre-Lorde-Archiv eingerichtet und der Dokumentarfilm „Audre Lorde – The Berlin Years, 1984-1992“ hatte im selben Jahr seine Weltpremiere bei den Berliner Filmfestspielen. In 2023 wurde Audre Lorde durch die Einweihung der Audre-Lorde-Straße geehrt und damit im Stadtbild dauerhaft verewigt.
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Bildergalerie Audre Lorde




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Weiterführende Links & Quellen:
- Podcast Folge „#05 Afrodeutsche Geschichte Teil 1: Audre Lorde“ aus dem Podcast „My PoC Bookshelf. Der Buch-Podcast“
- Online-Ausstellung „Audre Lorde in Berlin“ von Dagmar Schultz
- Dokumentar-Film „Audre Lorde : die Berliner Jahre 1984 – 1992; Dichterin, Aktivistin, lesbische Mutter“ von Dagmar Schultz
- Online-Artikel „Audre Lorde“ in fembio.org
- Online-Artikel „Audre Lorde“ von Marion Kraft in Digitales Deutsches Frauenarchiv
- Audre-Lorde-Archiv des John-F.-Kennedy-Instituts für Nordamerikastudien
Hinweis Begrifflichkeiten:
Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.
Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusiv alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.
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