Albrecht von Krosigk (1892-1942)
36 - Stolperstein Albrecht von Krosigk & Wohnort Manfred Salzgeber
Motzstr. 9, Berlin-Schöneberg
Albrecht von Krosigk hatte ein teilweise zwielichtiges Leben und kam wegen Betrugs und Schwindeleien mit dem Gesetz in Konflikt. Ins Gefängnis und Konzentrationslager kam er während der Nazizeit allerdings wegen seiner Homosexualität. Auch danach blieb er bis zum Tod Gefangener in der Psychiatrie, wo er 1942 verstarb.
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(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)
Friedrich Karl Albrecht von Krosigk kam am 14. Dezember 1892 in Ostpreußen zur Welt. Als er 9 Jahre alt war, wurde sein Vater im Jahr 1901 ermordet, der Mörder wurde nie ermittelt. Albrecht von Krosigk sollte wie auch sein Vater eine Militärlaufbahn einschlagen und so besuchte er die Kadettenanstalten in Plön in Holstein und danach in Berlin-Lichterfelde. Als Fähnrich nahm er am 1. Weltkrieg teil. 1919 heiratete er, doch die Ehe wurde bereits 1923 geschieden.
Albrecht von Krosigk arbeitete nach dem Krieg bei der Berliner Sicherheitspolizei, wurde ab 1925 Provisionsvertreter und war ab Mitte der 1930er Jahre reisender Händler. Dadurch wohnte er zeitweilig in Duisburg, Hamburg und zuletzt in der Motzstraße 9 in Berlin.
Bis Anfang der 1930er Jahre wurde er mehrfach wegen Diebstahls und Betrugs verurteilt. 1936 gab er sich als einer seiner Namensvetter aus, den Finanzminister im Hitler-Kabinett Graf Schwerin von Krosigk und ergaunerte so kleinere Geldbeträge. Dies brachte ihm einen kurzzeitigen Gefängnisaufenthalt in Form von Schutzhaft ein.
Ende 1936 kam er erstmals wegen seiner Homosexualität in Konflikt mit dem Gesetz und wurde bis zur Verurteilung in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingeliefert. Er verbrachte dort drei Monate bis das Hamburger Amtsgericht ihn zu sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen eines Verstoßes gegen § 175 StGB verurteilte. Der Paragraph bestrafte sexuelle Handlungen zwischen Männern, worunter nach der Verschärfung des Paragrafen 175 durch die Nazis im Jahr 1935 jegliche Form der sexuellen Handlungen oder Zuneigung zwischen Männern fällt.
Zurück in Berlin half er im Herbst 1937 einem türkisch-jüdischen Freund, in dem er Unterlagen fälschte, damit dieser die antisemitischen Berufsbeschränkungen umgehen konnte. Er fälschte ein Dokument des Berliner Polizeipräsidenten welches besagte, dass „Gegen den Verkauf seiner Waren an deutsche Beamte nichts einzuwenden sei.“ Als dieser Betrug aufflog, wurde er polizeilich gesucht und bei der Ergreifung auch noch in Begleitung eines jungen Mannes verhaftet.
Im Prozess 1938 wurde Albrecht von Krosigk vom Berliner Landgericht zu 18 Monaten Gefängnis und wegen des Gutachtens des Gefängnisarztes zur Einweisung in die Psychiatrie verurteilt.
Seine Familie wandte sich mit Gnadengesuchen mehrmals an die Justiz und sie erreichte, dass er in ein „offenes Haus“, der Berliner Anstalt Herzberge verlegt wurde. im März 1941 wurde er in die Brandenburger „Heil- und Pflegeanstalt Bernburg“ verlegt. Dort vermerkte ein Arzt, dass „keinerlei körperliche oder geistige Störungen bestehen, die einer ärztlichen Behandlung oder Betreuung bedürfen“. Er wurde von nun an in einem so genannten Arbeitshaus untergebracht. Eine Entlassung aus der Psychiatrie konnte seine Familie dennoch nicht erreichen.
Er starb dort 50-jährig am 22. Mai 1942, angeblich an einer Lungenentzündung. Kein Hinweis findet sich bislang darauf, dass Albrecht von Krosigk Opfer der Euthanasie-Morde geworden ist, auch wenn Bernburg zu den „Euthanasie-Anstalten“ des NS-Regimes gehörte.
Als Opfer des Naziregimes wurde an seinem letzten Wohnort zu seinem Gedenken in der Motzstraße 9 in 2011 ein Stolperstein gesetzt.
In der Motzstraße 9 wohnte auch Manfred Salzgeber (1943-1994) und leitete von dort auch zunächst seinen Filmverleih. Er spiele 1970 mit in Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, der zum Auslöser einer neuen politischen Schwulenbewegung wurde. Zeitlebens engagierte sich Salzgeber besonders für den queeren Film.
Bildergalerie Albrecht von Krosigk


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Weiterführende Links & Quellen:
- Online-Artikel „Albrecht von Krosigk“ von Andreas Pretzel, Stolpersteine in Berlin
- Artikel „Albrecht von Krosigk“ im Buch „Historische Orte und schillernde Persönlichkeiten im Schöneberger Regenbogenkiez. Vom Dorian Gray zum Eldorado“, von Andreas Pretzel, Maneo-Kiezgeschichte Band 1, Berlin, 2012
Hinweis Begrifflichkeiten:
Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.
Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusiv alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.
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