Marlene Dietrich (1901-1992)

5 - Marlene-Dietrich-Platz, Berlin-Tiergarten

Marlene Dietrich steht für die Befreiung von traditionellen Geschlechterrollen und sexuellen Normen ebenso wie für den politischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Als deutsch-amerikanische Schauspielerin und Sängerin etablierte sie sich nicht nur als Hollywood-Legende, sondern auch als eine der ersten öffentlichen Persönlichkeiten, die ihre Bisexualität relativ offen lebte. Ihre androgyne Ausstrahlung, ihr revolutionärer Kleidungsstil und ihre Beziehungen zu Frauen und Männern machten sie zu einer Pionierin der sexuellen Selbstbestimmung und zu einer bleibenden queeren Ikone.

(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)

Marie Magdalene Dietrich wurde 1901 in Berlin-Schöneberg in der Sedanstraße 53 (heute Leberstraße 65) geboren. Bereits mit elf Jahren beschloss sie, sich „Marlene“ zu nennen. In den 1920er-Jahren bewegte sie sich in Berlins liberaler Szene und frequentierte im legendären Berliner Nachtleben Clubs wie das Eldorado oder den Toppkeller. Nach ihrer musikalischen Ausbildung an der Hochschule für Musik wandte sie sich der Schauspielerei zu.

Der internationale Durchbruch gelang Dietrich 1930 mit der Rolle der Lola Lola im Film Der blaue Engel. Ihr lasziv-ironischer Vortrag des Chansons „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ machte sie zur Sensation. Noch im selben Jahr unterschrieb sie einen Vertrag bei Paramount Pictures in Hollywood.

Ihr erster US-Film Marokko enthielt eine bis dahin im Mainstreamkino beispiellose Szene: Im Smoking küsste sie eine Zuschauerin – eine frühe Darstellung weiblicher Homoerotik. Die Rolle brachte ihr eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin ein. In Blonde Venus (1932) inszenierte sie sich mit Zylinder, Frack und Spazierstock als femme fatale, die kokett Revuegirls berührte.

Dietrich lebte ihre Weiblichkeit anders als die meisten Frauen ihrer Zeit. 1923 heiratete sie Rudolf Sieber, 1924 wurde die Tochter Maria geboren. Das Paar führte eine offene Beziehung – beide kannten die Liebhaber*innen des anderen und tauschten sich offen darüber aus. Trotz ihrer Ehe lebte sie offen bisexuell. Zu ihren Partnerinnen zählten unter anderem die Berliner Chansonette Claire Waldoff, die Schriftstellerin Mercedes de Acosta, mit der sie leidenschaftliche Briefe austauschte, und die Schauspielerin Anna May Wong, mit der sie im Film Shanghai Express (1932) eine subtile lesbische Chemie entwickelte. Gleichzeitig unterhielt sie Beziehungen zu männlichen Stars wie Jean Gabin, John Wayne und James Stewart – letzterer zeugte mit ihr ein Kind, das Dietrich jedoch abtreiben ließ, ohne ihn zu informieren.

Sie war Teil des „Sewing Circle“, eines Netzwerks lesbischer und bisexueller Hollywood-Stars wie Greta Garbo und Katharine Hepburn. Der Name – vermutlich von Dietrich geprägt – parodierte bürgerliche Nähkränzchen, während die Gruppe intime Beziehungen und Karrierestrategien diskutierte. Es war ein Schutzraum im von der Zensur des „Hays Code“  geprägten Filmgeschäft, der jede Darstellung nicht-heterosexueller Beziehungen verbot.

Dietrichs legendäre Smoking-Auftritte revolutionierten die Frauenmode. Hosen waren zwar im Berlin der 1920er-Jahre keine Seltenheit mehr, doch Dietrich setzte die „Marlene Hose“ international durch – etwa 1933 in Paris, wo Frauen das Tragen von Hosen polizeilich verboten war. „Ich kleide mich für das Bild, das ich von mir habe“, sagte sie und interpretierte Maskulinität als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung. Ihre Bühnenoutfits changierten bewusst zwischen Glitzerkleidern und Herrenanzügen, um binäre Geschlechternormen zu unterlaufen.

Als das NS-Regime ihr hoch dotierte Filmangebote machte, lehnte sie ab und unterstützte stattdessen Exilant*innen finanziell. 1939 nahm sie die US-Staatsbürgerschaft an und trat ab 1943 an der Front für alliierte Soldaten auf. Sie verurteilte öffentlich die Verfolgung von Homosexuellen: „Hitler hasst alles, was frei denkt – genau wie mich.“ 1947 erhielt sie die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der USA, während man sie im Nachkriegsdeutschland oft als „Verräterin“ diffamierte.

Ab den 1950er-Jahren feierte Dietrich als Sängerin Erfolge auf internationalen Bühnen. Zu ihren bekanntesten Liedern zählen „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Lili Marleen“ und „Sag mir, wo die Blumen sind“.

In den 1970er-Jahren zog sich Marlene Dietrich aus der Öffentlichkeit zurück. Zwischen 1977 und ihrem Tod 1992 soll sie ihre Pariser Wohnung kaum mehr verlassen haben.

Ihr Vermächtnis lebt weiter: in Drag-Shows im Marlene Stil, ikonischen Filmauftritten und feministischer wie queerer Theorie. Ihr Satz „Sexualität ist kein Schalter, den man umlegt“ inspirierte Denkerinnen wie Judith Butler oder Audre Lorde. Die queere Bewegung ehrt sie bis heute als mutige Vorkämpferin für Sichtbarkeit und Freiheit jenseits von Labels.

Marlene Dietrich starb am 6. Mai 1992 in Paris. Ihr Grab auf dem Friedhof Friedenau wird als Berliner Ehrengrab gepflegt. Die Stadt ehrt ihre berühmte Tochter mit dem Marlene-Dietrich-Platz, dem Zentrum der Berlinale am Potsdamer Platz sowie mit einer Gedenktafel an ihrem Geburtshaus.

Bildergalerie Marlene Dietrich

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Hinweis Begrifflichkeiten:

Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.

Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusiv alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.

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