Paul Küster (1908-1942) & Walter Boldes (1898-1942)

20 - Stolpersteine Paul Küster & Walter Boldes

Holzmarktstr. 70, Berlin-Mitte

Paul Küster und Walter Boldes waren ein Liebespaar, dem ihre Beziehung im nationalsozialistischen Deutschland zum Verhängnis wurde. Paul Küster wurde wegen seiner Homosexualität verfolgt und unter anderem im KZ Columbia interniert. Er desertierte später, die beiden planten in die Schweiz zu fliehen doch dies konnten sie nicht umsetzen und Paul Küster wurde entdeckt und 1942 hingerichtet. Walter Boldes, jüdischer Herkunft, stand seinem Lebensgefährten in schweren Zeiten bei. Wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ und seiner Liebe zu Paul Küster wurde auch er 1942 in Berlin-Plötzensee ermordet.

(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)

Paul Wilhelm Helmut Küster wurde am 17. April 1908 in Berlin geboren. Schon in seiner Kindheit musste er schwere Verluste verkraften: Sein Vater starb kurz nach seiner Geburt, die Familie lebte in der Gerichtsstrasse in Wedding in einfachen Verhältnissen und mit dem Tod der Mutter 1927 verlor Paul seinen letzten Halt. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, musste seine Lehre abbrechen und wechselte in den Jahren der Wirtschaftskrise immer wieder die Anstellung. So geriet Küster früh auf die schiefe Bahn; mehrfach wurde er wegen Eigentumsdelikten, Hehlerei und Beleidigung der SA verurteilt. Besonders folgenschwer war jedoch die Verschärfung des Paragrafen 175 im Jahr 1935, die gleichgeschlechtlichen Beziehungen unter Männern noch härter unter Strafe stellte.

Bereits 1936 wurde Küster erstmals wegen homosexueller Handlungen verurteilt: Er verbrachte 3 Monate im KZ Columbia am Rande des heutigen Tempelhofes Feldes. Homosexuelle Gefangene im KZ Columbia waren willkürlicher Gewalt, Schikanen und Misshandlungen durch das Wachpersonal ausgesetzt und lebten in ständiger Angst vor Folter, Verhören und ungewisser Haftdauer. Das KZ Columbia im Berliner Innenstadtgebiet bestand bis folgten zwei Jahre Gefängnis in der Strafanstalt Brandenburg. Kurz nach seiner Entlassung wurde er 1939 erneut nach § 175 angezeigt und zu anderthalb Jahren Haft verurteilt. Trotz all dieser Rückschläge gab er nicht auf. Nach seiner Freilassung lernte er 1940 den zehn Jahre älteren Walter Boldes kennen.

Walter Luis Boldes, geboren am 13. August 1898 in Breslau, hatte ebenfalls schwierige Zeiten hinter sich. Während des Ersten Weltkriegs musste er seine begonnene Kaufmannslehre abbrechen, wurde Soldat und kehrte nach Kriegsende als kaufmännischer Angestellter nach Schlesien zurück. Dort heirate er, doch die Ehe wurde bald geschieden. 1937 zog er nach Berlin, arbeitete als Lagerist in einer Flaschengroßhandlung und galt unter Bekannten als gesellig und hilfsbereit. Seine Wohnung in der Wallner-Theater-Str. 19, heute Holzmarktstr. 70 wurde zu einem Treffpunkt seines Freundeskreises und Ort für gemeinsame Feiern. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war er zunehmenden Schikanen und Gefahren ausgesetzt – die Bedrohung durch Deportation rückte immer näher.

1940 begegnete er Küster in der als Treffpunkt für Homosexuelle bekannten Kneipe „Bierschwemme“ am Alexanderplatz. Schnell entwickelte sich eine enge Beziehung; Boldes wurde für den 10 Jahre jüngeren, unerfahrenen Küster zunächst zum väterlichen Freund und später zum Lebensgefährten. Trotz der allgegenwärtigen Gefahr lebten sie ihre Liebe offen im Kreis ihrer Freunde.

Ab 1941 wurde Küster zum Wehrdienst eingezogen und als Soldat in einer Kaserne in Charlottenburg stationiert. Trotz des Risikos trafen sich die beiden weiterhin regelmäßig. Doch die Gefahr wuchs: Für Boldes drohte die Deportation, für Küster der Fronteinsatz – beides wollten sie durch eine gemeinsame Flucht in die Schweiz verhindern. Während eines Militärurlaubs im Dezember 1941 kehrte Küster absichtlich nicht in die Kaserne zurück und tauchte bei Freunden und zeitweise wieder bei Boldes in Berlin unter.

Das Leben in der Illegalität war riskant und sie waren stets auf Hinweise und Unterstützung angewiesen. Boldes versorgte seinen Lebensgefährten mit Geld und Essen. Doch im Februar 1942 wurde Küster von einem Zivilarbeiter, mit dem er ein Zimmer teilte, bei der Polizei wegen eines kleinen Diebstahls angezeigt. Noch am selben Tag nahm ihn die Gestapo fest, einen Tag später auch Walter Boldes.

Die Anklage des Regimes war unerbittlich: Paul Küster wurde am 9. April 1942 vom Wehrmachtsgericht wegen Fahnenflucht zum Tode und wegen „Unzucht mit Männern“ sowie „Rückfalldiebstahls“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 19. Mai 1942 wurde er im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet.

Walter Boldes wurde wegen „Zersetzung der Wehrkraft“, weil er Küster bei seiner Desertion geholfen hatte, zum Tode und zusätzlich wegen „widernatürlicher Unzucht“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Trotz Revision wurde das Urteil bestätigt. Am 14. Dezember 1942 wurde Walter Boldes in Berlin-Plötzensee ermordet.

Ihr Schicksal steht stellvertretend für das Leid vieler Männer, die im Nationalsozialismus aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt und ermordet wurden – zwischen 1933 und 1945 waren es circa 10.000 bis 15.000, die in Konzentrationslagern inhaftiert wurden. Viele von ihnen starben unter unmenschlichen Bedingungen in der Haft oder in Konzentrationslagern.

Erst viele Jahre später wurden Paul Küster und Walter Boldes – wie viele andere unschuldige Opfer – wieder sichtbar gemacht: Seit 2007 erinnern zwei „Stolpersteine“ an ihrem letzten gemeinsamen Wohnort in Berlin-Mitte an die beiden Liebenden. Das Denkmal für das KZ Columbia wurde 1981 errichtet. Es befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Eine ausführlichere Neugestaltung und Ergänzung der Informationstafeln fand 2003 statt.

Weitere Orte mit Paul Küster :

Paul Küster & Walter Boldes

Weitere Orte & Audio-Beiträge

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Weiterführende Links & Quellen:

  • Online Artikel “Paul Kűster” von Janna Lölke Stolpersteine Berlin
  • Online-Artikel “Walter Boldes” von Janna Lölke auf Stolpersteine Berlin
  • Podcastfolge „Folge 4: Paul Küster & Walter Boldes“ der Podcast Serie Stolpersteine Berlin – Geschichten verfolgter Homosexueller, von Dominic und Paul S., 30. Dez. 2024,. 22min
  • Online Artikel „Paul Küster, Soldat, und Walter Boldes, Arbeiter“ in „Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus.“ In: Berliner Landesinstitut für Bildung und Medien (LISUM) (Hg.): Bildung für Berlin. Lesbische und schwule Lebensweisen. Handreichung für die weiterführenden Schulen. Berlin, 2006.

Hinweis Begrifflichkeiten:

Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.

Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusiv alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.

Ein Projekt von Rafael Nasemann angegliedert an die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V., Berlin.

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