Fritz Heilscher (1898-1942)
14 - Stolperstein Fritz Heilscher
Strelitzer Str. 58, Berlin-Mitte
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Fritz Heilscher war ein deutscher Tänzer, Choreograf und Ballettmeister, dessen Leben tragisch durch die nationalsozialistische Verfolgung Homosexueller endete. Geboren am 2. Oktober 1898 in Berlin, entwickelte er eine vielversprechende Karriere im Ballett, bevor er aufgrund seiner sexuellen Orientierung verhaftet, inhaftiert und schließlich im KZ Sachsenhausen ermordet wurde.
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(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)
Fritz Heilscher entstammte einer Arbeiterfamilie und begann seine berufliche Laufbahn mit einer kaufmännischen Lehre. Doch im Jahr 1920, im Alter von 22 Jahren, entschied er sich für einen Karrierewechsel und begann eine Ausbildung als Tänzer am Deutschen Opernhaus in Berlin, an dessen Stelle sich heute die Deutsche Oper Berlin befindet. 1922 wurde er Mitglied des „Petz-Kainer-Balletts“ und legte sich den Künstlernamen Ferry Dworak zu.
1923 startete Heilscher seine professionelle Karriere als Solotänzer am Opernhaus in Breslau. Von 1926 bis 1930 war er als Ballettmeister am Städtischen Theater in Chemnitz tätig. 1931 kehrte er als Solotänzer ans Stadttheater Dortmund zurück, bevor er 1932 als Choreograf ans Badische Landestheater Karlsruhe wechselte. Dort konnte er seine künstlerischen Fähigkeiten voll entfalten und eigene Choreografien präsentieren. Bemerkenswert ist, dass er trotz eines ersten Strafverfahrens wegen homosexueller Beziehungen weiterhin am Theater beschäftigt wurde.
1933, im Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nahm Heilscher eine Anstellung als Ballettmeister am Schlesischen Oberlandestheater in Beuthen (heute Bytom, Polen) an. Diese sollte seine letzte in der Theaterwelt sein.
Die Verfolgung Homosexueller, die bereits in der Weimarer Republik auf Grundlage des Paragraphen 175 stattfand, verschärfte sich dramatisch unter dem NS-Regime. Fritz Heilscher wurde ein Opfer dieser zunehmenden Repression.
Im April 1935 verurteilte das Landgericht in Beuthen ihn wegen homosexueller Beziehungen zu zwei Jahren Gefängnis. Diese Verurteilung hatte schwerwiegende Konsequenzen: Er verlor seine Anstellung am Theater, wurde aus dem Künstlerverband ausgeschlossen und erhielt faktisch ein Berufsverbot. Damit endete abrupt seine Karriere als Tänzer und Choreograf. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 1937 kehrte Heilscher nach Berlin zurück.
Trotz der schwierigen Umstände gelang es ihm, eine neue Existenz aufzubauen. Er fand eine Anstellung bei Helene Bähr in ihrem Spezialhaus für Reitstiefel in der Leipziger Straße 54. Doch seine relative Sicherheit in Berlin währte nicht lange. Ende 1941 wurde er erneut wegen einer Liebesaffäre verhaftet und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Seine Arbeitgeberin setzte sich für ihn ein und verfasste einen Empfehlungsbrief, welcher jedoch wirkungslos blieb.
Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde Heilscher nicht freigelassen, sondern der Kriminalpolizei übergeben. Diese ordnete seine Einweisung in das Konzentrationslager Sachsenhausen an – eine gängige Praxis des NS-Regimes, insbesondere bei Personen, die als „Gewohnheitsverbrecher“ oder „Asoziale“ eingestuft wurden, worunter auch Homosexuelle häufig fielen. Er erhielt den Rosa Winkel auf seiner Häftlingskleidung mit der Häftlingsnummer 42315.
Fritz Heilscher kam am 21. Juli 1942 im KZ Sachsenhausen ums Leben, nur zwei Monate nach seiner Einlieferung. Sein Tod ereignete sich im Rahmen einer gezielten Mordaktion gegen Homosexuelle im Klinkerwerk des Lagers.
Das Klinkerwerk war eine berüchtigte Außenstelle des KZ Sachsenhausen, in der Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Die dortige Arbeit war extrem hart und gefährlich; viele Häftlinge starben an Erschöpfung, Unterernährung oder durch Unfälle. Die gezielte Ermordung homosexueller Häftlinge im Klinkerwerk zeigt die systematische und brutale Verfolgung, der sie im NS-Regime ausgesetzt waren.
Das Schicksal von Fritz Heilscher geriet nach dem Krieg zunächst in Vergessenheit. Die Verfolgung Homosexueller während des Nationalsozialismus wurde lange Zeit nicht als Teil der NS-Verbrechen anerkannt, und die Opfer wurden oft stigmatisiert.
Erst Jahrzehnte später begann eine aktive Erinnerungskultur für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus. Am 12. September 2003 wurde in der Rosenthaler Vorstadt in Berlin ein Stolperstein für Fritz Heilscher verlegt. Er erinnert an ihn vor seinem letzten Wohnort in der Strelitzer Straße 58 im Bezirk Mitte. Ebenso wird seines Lebens und der grausamen Verfolgung durch die Nationalsozialisten in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen gedacht – mit einer Infotafel an der Lagermauer an der „Station Z“.
Brief der Arbeitgeberin von Fritz Heilscher an die Berliner Justiz Berlin
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30. Oktober 1941 / Berlin
Herr Fritz Heilscher, geb. 2.10.98 zu Berlin, zuletzt wohnhaft Berlin N 4, Strelitzer Str. 58 war bei mir in der Zeit vom 5.10.1939 bis zu seiner Festnahme am 18.8.41 beschäftigt. Seine besondere Auffassungsgabe und geistigen Fähigkeiten haben es gestattet ihn schon nach kurzer Zelt in meinen kaufmännischen Abteilungen mit Angestelltenarbeiten zu vertrauen, obwohl er ursprünglich als Hausdiener eingestellt wurde. Er hat sich gleich bei seiner Einstellung dem Unterzeichneten wegen seines Vorlebens offenbart. Seine Führung war in jeder Beziehung einwandfrei, insbesondere sein sittliches Verhalten den übrigen Gefolgschaftsmitgliedern (ca. 6o) absolut korrekt und habe ich niemals Grund gehabt ihn irgendwie auch in Hinblick auf seine besondere Veranlagung, die mir durch ihn bekannt wer, zu ermahnen. Seine Führung war derartig, dass ich ihn sogar mit Aufgaben besonderen Vertrauens beauftragen konnte. Auch bei diesen Aufgaben hat er mich niemals enttäuscht.
Ich bedaure aufs lebhafteste, dass seine krankhafte Veranlagung ihn nach so langer Zeit wieder zu einem Vergehen verleitet hat. Ich würde ihn jederzeit wieder bei mir einstellen.
Helene Bähr,
30.10.1941, Spezialhaus für Reitstiefel, Leipziger Straße 54
Quelle: Landesarchiv Berlin
Weitere Orte mit Fritz Heilscher:
108 - Infotafel Homosexuellenverfolgung, Gedenkstätte Sachsenhausen
Bildergalerie Fritz Heilscher





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Weiterführende Links & Quellen:
- Online-Artikel „Fritz Heilscher“ von Andreas Pretzel
- Online-Artikel „Stolpersteine in der Rosenthaler Vorstadt und im Scheunenviertel„, Magnus Hirschfeld Gesellschaft e.V., 2003
Hinweis Begrifflichkeiten:
Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.
Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusive alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.
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