Ludwig Levy-Lenz (1892-1966)

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Ludwig Levy-Lenz war ein jüdischer Frauenarzt, innovativer Mediziner, Sexualaufklärer, Schönheitschirurg und Publizist. Er war 1930 beteiligt an den ersten vollständigen operativen Geschlechtsangleichungen und stellte das vermutlich erste medizinische Buch zum Thema Schwangerschaftsabbruch zusammen. Im Institut für Sexualwissenschaft hatte er eine Sexualberatungsstelle angeboten. Die Nazis trieben ihn ins Exil nach Kairo, doch er kehrte nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurück.  mehr im Audio oder im Text weiter unten

Ort A: Praxis Ludwig Levy-Lenz von 1918 bis 1926, Rosenthaler Str. 2, im 2. Stock, Berlin-Mitte   map / route

Ort B: Gedenktafel Institut für Sexualwissenschaft, Arbeitsplatz von Levy-Lenz ab 1925, in der Nähe des Haus der Kulturen der Welt am Sparzierweg an der Spree, Bettina-von-Arnim-Ufer, Berlin-Tiergarten   map / route

Ort C:Wohnort und Praxis Ludwig Levy-Lenz ab 1926-1933, dies ist der Ort wo Dora Richter operiert wurde; Ahornallee 51, Berlin-Charlottenburg   map / route

Ort D: Grabstelle Ludwig Levy-Lenz, Neuer Jüdischen Friedhof, Sektion 17 Reihe 11 Grab 16, Garchinger Straße 37, München   map / route

Bildergalerie Ludwig Levy-Lenz

Weitere Audio-Beiträge:

Weiterführende Links & Quellen:

Ludwig Levy-Lenz wurde 1892 in Posen geboren und studierte Medizin in Heidelberg, München und Breslau. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs errichtete er als Soldat in Posen ein Speziallazarett für Wiederherstellungschirurgie und -orthopädie. Zu dieser Zeit erlebten die plastische Chirurgie und Orthopädie aus traurigem Anlass ihren Durchbruch, und auch Levy-Lenz machte wichtige chirurgisch-handwerkliche Erfahrungen, die sein Wirken prägen sollten.

Nach dem Krieg eröffnete er 1918 in Berlin eine Praxis in der Rosenthaler Straße 2 im 2. Stock.

Er erstellte bereits 1919 die Broschüre „Wie schütze ich mich vor Geschlechtskrankheiten?“, die in öffentlichen Toiletten beworben und vertrieben wurde. Er publizierte regelmäßig seine medizinischen Erkenntnisse und forderte die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. 1930 stellte er das wahrscheinlich weltweit erste medizinische Buch zum Thema Schwangerschaftsabbruch zusammen.

Ludwig Levy-Lenz sah im Sexualleben schlichtweg „das wichtigste Kapitel unseres kurzen Lebens“, so wurde dies sein bestimmendes Thema seiner Berliner Zeit. Er ist Wegbegleiter von Magnus Hirschfeld und arbeitete ab 1925 in dessen Institut für Sexualwissenschaft, dem weltweit ersten seiner Art. Er leitete die Frauenabteilung und richtete mit Magnus Hirschfeld zusammen eine Sexualberatungsstelle ein.

1926 verlegte er Praxis und Wohnort in die Ahornallee 51 in Berlin Charlottenburg. Dort war er 1930 an den Operationen zur ersten vollständigen Geschlechtsangleichung inklusive Vaginoplastik der Patientin Dora Richter beteiligt und führte dabei die Penisamputation durch. Weitere Patientinnen waren Charlotte Charlaque, Toni Ebel und Lili Elbe. Letztere ist einem breiteren Publikum durch den Film „The Danish Girl“ bekannt, eine Malerin aus Dänemark, die sich geschlechtsangleichenden Operation in Berlin und Dresden unterzog. Leider starb sie an Komplikationen nach der 4. Operation in Dresden.

Vieles was damals geschah war experimentelle Medizin am Menschen, allerdings forderten dies auch viele der leidenden trans* Personen nachdrücklich von den Ärzten ein. Bei den Ärzten mag der Drang zu helfen aber sicher auch das wissenschaftliche Prestige Motivation gewesen sein. Soweit wir wissen, konnte Dora Richter Dank der erfolgreichen Operationen ihr Leben als Frau leben.

1933 emigriert Levy-Lenz nach Paris. Als er im Vorfeld der Olympischen Spiele eine Entspannung des Antisemitismus vermutet, kommt er 1936 nach Berlin zurück. Er eröffnet eine Praxis für Schönheitschirurgie am Kurfürstendamm um noch im selben Jahr erneut zu Emigrieren. Diesmal nach Ägypten, wo er als Schönheitschirurg erfolgreich praktizierte. Nach dem Krieg lebte und arbeitete er in Baden-Baden und Kairo, ab 1965 wieder in Berlin.

Neben all seiner Errungenschaften und dem Mut neue Wege zu beschreiten, wählte er auch kritische Pfade. Er versuchte sich 1921 an Verjüngungsoperationen mittels Unterbindung der Samenstränge und veröffentlichte 1921 dazu. Er distanzierte sich jedoch bald danach von diesem medizinischen Feld.

In seinen Memoiren schrieb Levy-Lenz 1951, er sei Hirschfeld dankbar, „dass er mich so viel Milde, Güte und Einsicht lehrte, dass er mir Duldsamkeit und Toleranz beibrachte und dass er mir jenes Können und Wissen vermittelte, ohne die ich als Sachverständiger vor Gericht nur allzu bald versagt hätte.“

Er erinnert sich auch an die trans* Personen die im Institut arbeiteten, wie Dora Richter: „Schwierig für die Transvestiten war auch die Frage der Arbeitsbeschaffung.(…) Da wir das wussten und nur wenige Betriebe transvestitisches Personal einstellten, beschäftigten wir solche Leute soweit es uns möglich war, in unserem eigenen Institut. So hatten wir z. B. fünf Dienstmädchen – alles transvestitische Männer, und ich werde den Anblick nie vergessen, der sich mir bot, als ich einmal nach Feierabend in die Küche des Hauses verschlagen wurde: da saßen die fünf Mädchen strickend und nähend friedlich nebeneinander und sangen gemeinsam alte Volkslieder. Jedenfalls war es das beste, fleißigste und gewissenhafteste Hauspersonal, das wir je gehabt haben. Niemals hat ein Fremder, der uns besuchte, etwas davon gemerkt…“

Ludwig Levy Lenz verstirbt 1966 in München. Sein Grab wurde 2022 wiederentdeckt und ist auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in München zu finden.

Hinweis Begrifflichkeiten:

Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.

Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusive alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.

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