Ludwig Levy-Lenz (1892-1966)
02 - Gedenktafel M. Hirschfeld & Institut für Sexualwissenschaft
Bettina-von-Arnim-Ufer, Berlin-Tiergarten
Ludwig Levy-Lenz war ein jüdischer Frauenarzt, innovativer Mediziner, Sexualaufklärer, Schönheitschirurg und Publizist. Er war 1930 an den ersten vollständigen operativen Geschlechtsangleichungen beteiligt und stellte das vermutlich erste medizinische Buch zum Thema Schwangerschaftsabbruch zusammen. Im Institut für Sexualwissenschaft bot er eine Sexualberatungsstelle an. Die Nazis trieben in ins Exil nach Kairo, doch er kehrte nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurück.
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(dieser Text ist auch im Audio-Clip zu hören)
Ludwig Levy-Lenz wurde 1892 in Posen geboren und studierte Medizin in Heidelberg, München und Breslau. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs errichtete er als Soldat in Posen ein Speziallazarett für Wiederherstellungschirurgie und -orthopädie. Zu dieser Zeit erlebten die plastische Chirurgie und Orthopädie aus traurigem Anlass ihren Durchbruch, und auch Levy-Lenz machte wichtige chirurgisch-handwerkliche Erfahrungen, die sein Wirken prägen sollten.
Nach dem Krieg eröffnete er 1918 in Berlin eine Praxis in der Rosenthaler Straße 2 im 2. Stock.
Er erstellte bereits 1919 die Broschüre „Wie schütze ich mich vor Geschlechtskrankheiten?“, die in öffentlichen Toiletten beworben und vertrieben wurde. Er publizierte regelmäßig seine medizinischen Erkenntnisse und forderte die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. 1930 stellte er das wahrscheinlich weltweit erste medizinische Buch zum Thema Schwangerschaftsabbruch zusammen.
Ludwig Levy-Lenz sah im Sexualleben schlichtweg „das wichtigste Kapitel unseres kurzen Lebens“, so wurde dies das bestimmende Thema seiner Berliner Zeit. Er war Wegbegleiter von Magnus Hirschfeld und arbeitete ab 1926 in dessen Institut für Sexualwissenschaft, dem weltweit ersten seiner Art. Er leitete die Frauenabteilung und richtete mit Magnus Hirschfeld zusammen eine Sexualberatungsstelle ein. Er wurde schnell zum verantwortlichen Chirurgen für operative Geschlechtsumwandlungen und entwickelte fortschrittliche chirurgische Techniken zur Geschlechtsangleichung, die sowohl Gesichtszüge als auch komplexere Eingriffe wie Entfernungen der Gebärmutter oder Brustgewebe umfassten.
1926 verlegte er Praxis und Wohnort in die Ahornallee 51 in Berlin Charlottenburg. Dort war er 1930 an den Operationen zur ersten vollständigen Geschlechtsangleichung inklusive Vaginoplastik der Patientin Dora Richter beteiligt und führte dabei die Penisamputation durch. Weitere Patientinnen waren Charlotte Charlaque, Toni Ebel und Lili Elbe. Letztere, eine Malerin aus Dänemark, die sich geschlechtsangleichenden Operation in Berlin und Dresden unterzog. Sie ist einem breiteren Publikum durch den Film „The Danish Girl“ bekannt. Leider starb sie an Komplikationen nach der 4. Operation in Dresden.
Vieles was damals geschah war experimentale Medizin am Menschen, allerdings forderten dies auch viele der leidenden trans* Personen nachdrücklich von den Ärzten ein. Levy-Lenz schreibt in seinen Memoiren „Niemals habe ich dankbarere Patienten operiert“ was die tiefgreifende Bedeutung dieser Eingriffe für die Betroffenen unterstreicht. Er erwähnt eine 16-Jährige Patientin, die sich selbst verletzte, um eine Brustentfernung zu erzwingen. Bei den Ärzten mag der Drang zu helfen, aber sicher auch das wissenschaftliche Prestige Motivation gewesen sein.
1933 emigrierte Levy-Lenz nach Paris. Als er im Vorfeld der Olympischen Spiele eine Entspannung des Antisemitismus vermutete, kam er 1936 nach Berlin zurück und eröffnete eine Praxis für Schönheitschirurgie am Kurfürstendamm um noch im selben Jahr erneut zu emigrieren. Diesmal nach Ägypten, wo er als Schönheitschirurg erfolgreich praktizierte. Nach dem Krieg lebte und arbeitete er in Baden-Baden und Kairo, ab 1965 wieder in Berlin.
Neben all seiner Errungenschaften und dem Mut neue Wege zu beschreiten, wählte er auch kritische Pfade. Er versuchte sich 1921 an Verjüngungsoperationen mittels Unterbindung der Samenstränge und veröffentlichte im selben Jahr dazu. Er distanzierte sich jedoch bald danach von diesem medizinischen Feld.
In seinen Memoiren erinnert sich Levy-Lenz 1951 auch an die trans* Personen die im Institut arbeiteten, wie Dora Richter: „Schwierig für die Transvestiten war auch die Frage der Arbeitsbeschaffung.(…) Da wir das wussten und nur wenige Betriebe transvestitisches Personal einstellten, beschäftigten wir solche Leute soweit es uns möglich war, in unserem eigenen Institut. So hatten wir z.B. fünf Dienstmädchen – alles transvestitische Männer, und ich werde den Anblick nie vergessen, der sich mir bot, als ich einmal nach Feierabend in die Küche des Hauses verschlagen wurde: da saßen die fünf ‚Mädchen‘ strickend und nähend friedlich nebeneinander und sangen gemeinsam alte Volkslieder. Jedenfalls war es das beste, fleißigste und gewissenhafteste Hauspersonal, das wir je gehabt haben. Niemals hat ein Fremder, der uns besuchte, etwas davon gemerkt…“
Er verstarb 1966 in München. Sein Grab wurde 2022 wiederentdeckt und ist auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in München zu finden.
Weitere Orte mit Ludwig Levy-Lenz:
Grabstelle Ludwig Levy-Lenz, Neuer Jüdischen Friedhof, Sektion 17 Reihe 11 Grab 16, Garchinger Straße 37, München
Bildergalerie Ludwig Levy-Lenz







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Weiterführende Links & Quellen:
- Online-Artikel „Neu entdeckt: Ludwig Levy-Lenz‘ Grab in München“ von Raimund Wolfert,
- Buch: „Diskretes und Indiskretes“ Autobiographie von Ludwig Levy-Lenz, 1951;
Deutsche Nationalbibliothek - Buch: „Die Schwangerschaftsunterbrechung, ihre Voraussetzung und ihre Technik;…“; Herausgegeben von Ludwig Levy-Lenz; 1930 Berlin; weltweit erstes wissenschaftliches Buch zu diesem Thema, Deutsche Nationalbibliothek
Hinweis Begrifflichkeiten:
Die in den Texten verwenden Begriffe, werden teilweise so verwendet, wie sie zur Zeit der queeren Held*innen üblich waren, wie zum Beispiel das Wort „Transvestit“, welches als Selbstbezeichnung von einigen Personen gewählt wurde. Dies würden wir heute viel differenzierter ausdrücken, unter anderem als Trans*, Crossdresser, Draq King, Draq Queen, Gender-nonkonform oder nicht binär. Sofern möglich, werden die Bezeichnungen gewählt, die die Person für sich (vermutlich) gewählt hatten, jedoch wissen wir teilweise nicht, wie sich die Personen selbst bezeichnet haben oder wie sie sich mit dem heutigen Wortschatz beschreiben würden.
Zudem wird auch das Wort „Queer“ verwendet, welches zur Zeit der meisten beschriebenen queeren Held*innen noch gar nicht existierte. Dennoch ist es heute das passendste Wort, um inklusive alle die zu bezeichnen, die nicht der heterosexuellen-cis-Mehrheit entsprechen.
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